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Projekt: 9 Monate Social Media Wall
Seit August letzten Jahres habe ich eine WordPress‑Instanz laufen, deren einzige Funktion darin besteht, bestimmte Posts von mir auf diversen Social‑Media‑Webseiten zu speichern .
Die Absicht dieses Projektes ist, meine eigenen Posts außerhalb der jeweiligen Websites verfüg‑ und vor allem auch durchsuchbar zu machen: meiner Erfahrung nach ist die wichtigste Funktion aller Social‑Media‑Websites die Suche, bzw. die Durchsuchbarkeit.
Mein Projekt „ASCA ‑ Automated Social Content Archive“ Leider wird diese Funktion oft dadurch zunichte gemacht, dass die Betreiber dieser Websiten die Inhalte ihrer Nutzer nur denen zur Verfügung stellen, die selbst Nutzer sind. Mein Archiv korrigiert diesen Umstand und macht meine Inhalte auf eine Art und Weise verfügbar, die einer Idee von mir, dem eigenen öffentlichen Archiv, gerecht wird.
Umgesetzt habe ich dieses Projekt einerseits durch WordPress, das sich wieder einmal als die Lösung für 80% aller Webprojekte anbietet, andererseits durch den Automatisierungsdienst IFTTT (ich habe früher schon darüber–wenn auch kurz‑geschrieben, unter anderem hier: https://www.mariobreskic.de/nach-dem-bachelor-vertiefung-der-grundlagen/).
Screenshot meiner IFTTT Applets, in denen das Stichwort #asca vorkommt Mit IFTTT habe ich sogenannte Applets erstellt, die ausgewählte Social‑Media‑Accounts von mir nach dem Hashtag #asca durchsuchen, und diese so markierten Posts dann als WordPress‑Posts in meinem Social‑Media‑Archiv speichern und veröffentlichen.
Das geschieht dann automatisch. Ich denke, dass ich an diesem Schalter noch etwas ändern werde, zumal ich mich langsam in Richtung von Mindful Social Media Marketing bewege, was bedeutet, dass ich auf meinen Social‑Media‑Accounts eher nur noch mit Substanz und Botschaft posten will, anstatt ein Tagesgeschehen beat‑by‑beat . Aber das kommt erst später.
Der Clou für mich ist, dass dadurch eine andere Betrachtungsweise meiner Social‑Media‑Posts möglich wird, nämlich die Vogelperspektive: Hashtags werden aus den ursprünglichen Posts übernommen und damit miteinander in Verbindung gebracht, obwohl sie beispielsweise auf Instagram, Threads, Twitter oder Tumblr gepostet worden sind.
Screenshot des Hashtags „automation“ in meinem Social‑Media‑Archiv Einzelansicht eines bestimmten archivierten Posts, mitsamt sogenannter Tag‑Wolke rechts Und weil ich das seit August 2024 als ein Projekt laufen habe, das „built in public“ ist, möchte ich es auch so weiterführen, eben weil ich diese Idee des Besitzes und Speicherns der eigenen Social‑Media‑Posts so schön finde. Und dass der eigene Content so die gemietete Plattform überleben kann, hat einen ganz eigenen Charm.
Mein August ist zwar jetzt schon ausgebucht, aber vielleicht schaffe ich es doch noch, ein oder zwei Sätze zu diesem Projekt zu schreiben, wenn es dann ein Jahr lang lief. Bei Fragen zu den Applets oder Plugins darf man mich gerne kontaktieren, ich würde mich darüber freuen, wenn noch andere Gestalter an dieser Form des öffentlichen Archivierens interessiert sind.
Völlig automatisch läuft das Archiv jedoch nicht: anstatt meine Bilder und Videos von den Servern dieser Drittanbieter zu laden, lade ich meine eigenen Versionen dieser Dateien hoch. Einerseits in viel höherer Qualität als auf Social‑Media‑Websites dargestellt wird, andererseits auch mit urheberrechtlich relevanten Informationen versehen.
Ansicht des Beitragsbildes im Content‑Credentials‑Inspector Permalink zu dem Projekt „ASCA ‑ Automated Social Content Archive“.
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Tiefe Arbeit und der Weg zum Erfolg
Tiefe Arbeit ist für uns Grafikdesigner wichtig: ungestört und ohne Ablenkung arbeiten zu können erlaubt es uns erst, kreativ zu werden. Und nur in diesem Sinne kreative Grafikdesigner sind erfolgreiche Grafikdesigner.
Während meines Studiums begegnete mir folgende Illustration,1 die den „Weg zum Erfolg“ mittels zweier Wege veranschaulicht:
https://flowingdata.com/wp-content/uploads/2009/09/road_full.jpg
einerseits auf dem richtigen Weg, mit richtigem System, welcher in der Illustration als sichere Reise mit dem Zug dargestellt wird, die alle Gefahren des zweiten Wegs vermeidet, und andererseits eben auf diesem zweiten Weg, der nicht zufällig als eine Reise zu Fuß dargestellt wird und entlang dessen nicht gerade wenige Gefahren auf den Reisenden lauern; diese Illustration blieb mir ein treuer Begleiter während meines Studiums, auch wenn ich anmerken will, dass ich mich viel mehr auf die Gefahren entlang des Fußwegs konzentrierte, als dass ich mich damit auseinandersetzte, dass ich eigentlich – durch Studium und glückliche Umstände – auf dem richtigen, sicheren Weg zum Ziel war.
Mein Ziel ist die Selbstständigkeit als Grafikdesigner, doch dazu bedarf es in meinem Fall einer zusätzlichen Absicherung: der Einschränkung von Ablenkung .
Heutzutage besteht die Ablenkung schlechthin in der Form von Social Media, was für mich als Grafikdesigner besonders heikel ist: dass das Medium die Message ist, machte mich nicht dagegen immun, endlos den eigenen Feed zu optimieren und zu kuratieren, nur um am Ende dann zu bemerken, dass meine Unzufriedenheit mit „dem Algorithmus“ ganz woanders herkommt, und eben nicht aus mangelnder Selbstkontrolle stammt.2
Der Grafikdesigner ist – ob durch Ausbildung oder Talent – dazu veranlagt, Fehler zu erkennen und diese dann so lange zu korrigieren, bis er zufrieden ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die Fehler nicht fortlaufend entstehen, dass also seine Arbeit ein Ende hat.
Aber die Frage ist: Erfolg mit was genau? Und die Antwort ist auch schnell gefunden: Erfolg für die Betreiber der Website, auf der man aktiv sein will.
Gerade „Leuten wie mir” wird gerne vorgekaugelt, dass nur eine ausreichend aktive Präsenz auf Social‑Media‑Website ABC schon zum Erfolg führen würde. Aber die Frage ist: Erfolg mit was genau? Und die Antwort ist auch schnell gefunden: Erfolg für die Betreiber der Website, auf der man aktiv sein will.
Wenn man, wie ich, daran interessiert ist, dass der eigene , berufliche Erfolg aus der eigenen Arbeit entsteht, dass also Arbeit und Beruf Hand in Hand gehen, dann entsteht genau hier schon das Problem, dass sowohl Csíkszentmihályi, als auch Carr – in ihren eigenen Worten – als ein Problem für die Kreativität ansehen.3,4
Man kann dieser tiefen Arbeit der Kreativität nicht nachgehen, wenn man ständig abgelenkt wird. Und entgegen der Meinung jener Leute, die Carr gegenüber behaupteten, dass eine Art richtungslosen Umherstreifens für ihre Arbeit sehr nützlich ist, behaupte ich, dass das schlicht für die Wenigsten zutrifft: für die wenigsten Arbeiten, wie auch für die wenigsten Menschen.
Um also meinen eigenen Weg zum Erfolg nicht zu gefährden, um selbst kreativ zu bleiben, um aber auch kreativ bleiben zu können , helfe ich mir durch ein bewährtes System: dem bewussten Erzeugen von Langeweile.
Ich schränke somit meine Nutzung von Social Media auf täglich höchstens zwei Stunden ein, die wiederum von jener tiefen Arbeit in zwei Teile gespalten werden, die Csíkszentmihályi als Grundvoraussetzung für Kreativität erkennt.5
Denn wenn ich nicht damit beschäftigt bin, etwas zu optimieren, das meines Wissens nach dafür geschaffen ist, meine Zeit zu verschwenden, und ich auch nicht davon abgelenkt werde, welchen und den wievielten Kaffee meine werten Kollegen jetzt gerade, genau in diesem Moment schlürfen oder nicht schlürfen, dann sitze ich wieder in meinem Zugabteil mit all den anderen, die in ihre eigenen Bücher, Notizen und ihre Arbeit vertieft sind, auf dem Weg zu diesem Erfolg. Der Zug dorthin fährt von alleine. Das ist der Wert eines richtigen Systems. Man darf nur nicht aussteigen, oder sich zumindest nichts vormachen, wenn man aussteigt.
Hier sind zwanzig weitere Videos, die ich selber prüfen muss, ob sie zu meinem Geschmack passen.
Wenn man also beispielsweise kein einziges YouTube‑Video mehr anschaut und stattdessen sich Filme anschaut, dann wird das eine bessere Investition der eigenen Zeit sein. Aber darin liegt das Problem von Social Media: audiovisuelle Medien sind durch sie demokratisiert worden. Das ist ein Feature . Ehrlich. Hier sind zwanzig weitere Videos, die ich selber prüfen muss, ob sie zu meinem Geschmack passen. Social Media als Medium ist schlicht ein full time job , das heißt, wenn man acht Stunden am Tag davor sitzt, dann wird man danach durchaus erschöpft sein. Über Stunden hinweg Aufmerksamkeit zu erbringen, ist der schlechtbezahlteste Job der Gegenwart: wie beim Glücksspiel erhofft man sich durchs Weitermachen, dass man seine Verluste schon wieder einfahren wird. Aber die verlorene Zeit bleibt verloren. Für über 90% aller Social‑Media‑Accounts fällt das, was sie tun, unter den archaischen Begriff der „Liebhaberei”, dafür dann aber hauptberuflich.
Kurz gesagt: ich glaube, dass ein Leben als eine Art „Augentier“ geführt, das unentwegt alles mögliche zu Gesicht bekommt, kaum Platz für die Entwicklung eines eigenen Willens hat. Meine eigene Erfahrung als ein solches Augentier hat mich zumindest kein Stück weit meinen Zielen näher gebracht, dafür war ich aber so dermaßen von – nüchtern betrachtet – vergleichsweiser Leere unterhalten, dass ich nicht einmal Erinnerungen darüber behielt.
Nur muss man dann auch damit aufhören, wenn man merkt, was für einen schlecht ist. Das ist die Bedingung und der Preis dieser Erkenntnis.
Obwohl. Zu bemerken, was stört und was einen ablenkt, stellt sich immer als etwas nützliches heraus. Nur muss man dann auch damit aufhören, wenn man merkt, was für einen schlecht ist. Das ist die Bedingung und der Preis dieser Erkenntnis. Und wenn man etwas behebt, dann verschwindet das Problem.
Wish me luck .
- ursprünglich fand ich diese Illustration über The Road to Success, published 1913 “Motivational… – Lapidarium notes, alternativ auf archive.org https://web.archive.org/web/20250528180913/https://aminotes.tumblr.com/post/582655273/the-road-to-success-published-1913-motivational ↩︎
- McLuhan, Marshall, und Quentin Fiore. The Medium Is the Massage. London: Penguin, 2008.
↩︎ - Csíkszentmihályi, Mihály. Creativity: flow and the psychology of discovery and invention. 1st ed. New York: HarperCollinsPublishers, 1996.
↩︎ - Carr, Nicholas G. The Shallows: What the Internet Is Doing to Our Brains. 1st ed.: W. W. Norton & Company, Incorporated, 2011.
↩︎ - Csíkszentmihályi. 1996 ↩︎
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Update 004: Change Notes 26. 01. 2025
Website:
- Vom bisherigen Theme auf das Standard‑WordPress‑Theme „Twenty Twenty-Five” migriert, um innerhalb des Baukastens von WordPress flexibel bleiben zu können
- Mein Status‑Widget funktioniert jetzt mittels des WordPress‑internen „Abfrage‑Loop“, anstatt mithilfe des Plugins „Display Posts”. Plugin ist damit obsolet
- Mit dem Umstieg auf das neue Theme wurde auch das Plugin „Elementor” obsolet, da mit den Defaults von WordPress ein Funktionsumfang erreicht wird, den ich wahrscheinlich nicht einmal benötige
- Nach wie vor gibt es den visuellen Bug der Zeilenhöhe mit Fußnoten, den man immer noch mit CSS auf die gleiche Art und Weise beseitigt:
sup {line-height: 0 !important;}
- Es werden jetzt keine Shortcodes mehr verwendet
- Die Website ist somit insgesamt leichter geworden, was mir auch ein Anliegen ist.
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Update 003: Change Notes 20. 01. 2025
Von „Code & Canvas” zu meinem eigenen Namen umbenanntURL bzw. Account‑Namen mit Bindestrich angepasst, weil aufgrund der Funktionsweise Tumblrs zwar ein Account‑Name ohne Bindestrich existiert, dieser aber für mich nicht verfügbar bleibtRückwirkend den Hashtag „code and canvas” durch „mariobreskic“ ersetzt, um diese Veränderungen zu betonen
Alle archivierten Einträge der ehemaligen URL von „Code & Canvas” rückwirkend editiert, damit abgehende Hyperlinks weiterhin und in Zukunft auch übergangslos mit dem neuen Account‑Namen auf Tumblr funktionieren; der bisher verwendete Hashtag „code and canvas” bleibt für ältere Einträge im Archiv jedoch erhalten
Update vom 27.02.2025: diese Veränderungen habe ich wieder rückgängig gemacht.
IFTTT:
- Applets wurden angepasst, um private und öffentliche Archivierungen zu berücksichtigen.
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Update 002: Change Notes 12. 01. 2025
- Seite „Werkzeuge” gelöscht
- Links zu Now in den Footer versetzt und aus der Navigationsleiste entfernt
- Links zu der Post‑Kategorie „Status”, sowie zur neu erstellten Seite Networks der Navigationsleiste hinzugefügt
- Links zu Sozialen Netzwerken aus dem Footer entfernt und in die neue Seite Networks übertragen
- Links zu Sozialen Netzwerken nach meiner Aktivitätshäufigkeit dort sortiert
- Diverse Status‑Posts mit Links versehen.
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Update 001: Change Notes 16. 12. 2024
Weil das den Rahmen der Kategorie Status sprengt, hier eine Liste der neuesten Änderungen:
- Die „Social Wall” in „Automated Social Content Archive” umbenannt
- Starke Filterlisten für Social Media geschrieben, um u.a. die Qualität der Inhaltsempfehlungen für mich der Betreiber zu gewährleisten
- Suchmaschinen mittels zweier Add‑ons (uBlacklist und Block Site) für Firefox für Recherchezwecke verbessert: ein Recherchieren ohne Wikpedia ist dadurch wieder möglich (siehe Liste aktueller Firefox Add‑ons unter Werkzeuge hier, auf meinem Sideblog hier und in meinem Automated Social Content Archive hier)1
- Flickr reaktiviert
- Das Bücherregal so aufgebaut, dass dort die Bücher aufgelistet werden, die ich gerade lese, ähnlich wie Now funktioniert, nur noch knapper
Nachtrag vom 13. 01. 2025: Aufgrund von persönlicher Veränderung im Umgang mit dem Web sind die durchgestrichenen Angaben nicht mehr aktuell, werden hier aber auch nicht gelöscht.
- Letztere beiden Links geben auch ein paar Tipps zur Verwendung der Add‑ons, so wie ich sie selber auch verwende. ↩︎
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Wenn man eine Sache tut, sollte man nicht noch eine Sache on-top tun müssen
Meinen Lernprozess zu dokumentieren ist leicht. Aber aus diesem dann Posts für Social Media zu machen, das kostet extra: mehr Zeit, mehr Kalorien, und oft auch mehr Strom.
Und das macht dann den Lernprozess, den ich so sehr schätzen gelernt habe, nicht einmal zu einer Art Produkt, sondern zu einer Produktvorstufe, zu Hilfsmaterial für Social Media‑Postings, ganz so als ob ich nicht dazulerne, um mich selbst weiterzuentwickeln, sondern dazulerne, um darüber etwas veröffentichen zu können. Stellen Sie sich vor: Sie sind Koch, aber Sie kochen nicht für Ihre Kunden, sondern Sie kochen, um dann darüber zu erzählen.
Oder, in meinem Fall: stellen Sie sich vor Sie sind Grafikdesigner, aber Sie gestalten nicht für Kunden, sondern Sie designen, um dann darüber zu erzählen.
Wie Milt Kahl einmal zu Richard Williams sagte: „I’m not smart enough to think of more than one thing at a time!“
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Positionierung nach Gefühl
I very much want to see a job posting that says “we’re a slow paced environment so please don’t apply if you prefer fast paced.”
https://www.threads.net/@thepracticalpmo/post/DBR_gDRztUbIch begreife, dass meine eigene Positionierung als Grafikdesigner auch etwas damit zu tun hat, dass ich glaube, dass meine Arbeit, das Grafikdesign selbst, Zeit braucht, und nicht schnell gehen kann.
Meine eigenen Recherchen, meine Nachforschungen, meine vielen Bibliotheksbesuche (letztens mit Fernleihe für ein ansonsten nicht mehr auffindbares Buch von Herbert Kapitzki) stellen für mich elementare Arbeit dar, und ich hoffe, dass ich da meinem eigenen Instinkt und meiner Erfahrung vertrauen darf, wenn ich bemerke, dass es einen ausgleichbaren Mangel an Wissen oder tieferem Verständnis gibt.1
Und diese Geschwindigkeit ist für mich die richtige für meine Arbeit als Grafikdesigner, denn nur so kann ich die Qualität überhaupt erreichen, die ich von mir selbst fordere. Manchmal ist es auch für mich ganz angenehm, die eigene Position von jemand anderem ausgesprochen zu hören, ich bin da keine Ausnahme.
- Kapitzki, Herbert W. Programmiertes Gestalten: Grundlagen für das Visualisieren mit Zeichen. Karlsruhe: D. Gitzel, 1980.
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- Kapitzki, Herbert W. Programmiertes Gestalten: Grundlagen für das Visualisieren mit Zeichen. Karlsruhe: D. Gitzel, 1980.
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Eine Gesellschaft aus Leuchttürmen
Dass es wenige Leute gibt, die etwas bestimmtes bauen, liegt wahrscheinlich daran, dass diese Idee, dass etwas bestimmtes zu bauen ist, meistens nicht wiederholt werden kann, weil sie natürlich auftritt.
Sagen wir es so: um etwas zu bauen, muss man daran interessiert sein. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Wer etwas bauen will, muss die richtige Mischung aus Natur (Umwelt) und Erziehung (Eignung) sein. Die Mischung muss nicht punktgenau stimmen, sie muss eher so stimmen, dass man mit einer Sache sowohl vertraut werden kann, als auch dieses Vertrauen vertiefen kann. Die Fragen nach den richtigen Werkzeugen und Ressourcen stellen und beantworten sich dann von alleine: meistens sind es die, die man hat.
Und wenn man jemand ist, der etwas bestimmtes bauen will, dann reichen diese Mittel dann auch. Nicht weil sie wirklich reichen, sondern weil man selten bessere Mittel hat. Vielleicht liegt darin der Reiz am Bauen von Dingen: das Wissen, dass man nicht unter perfekten Bedingungen baut. Oder vielleicht liegt für jemanden der Reiz woanders. Dass man etwas baut, dass es noch nicht gab. Wie diese Website hier, oder diesen Artikel. Das kann auch reizvoll sein.
Ich aber denke, dass jemand, der etwas bauen will, das selbst dann tut, wenn ihm niemand zuschaut. Wenn es keine soziale Komponente dazu gibt. Keine Vorlesung, in der man schweigen, auftrumpfen, und scheitern kann. Keine sozialen Räume, in der darüber entschieden wird, ob und wer man ist, meistens durch andere, meistens durch das Verinnerlichen der Urteile anderer.
Ich halte Menschen, die etwas bauen, für gänzlich selbstgenügsam. Wie die Biologin in VanderMeers Buch Auslöschung, die sich mit stundenlang mit Gezeitentümpeln befassen kann. Auf den ersten Blick scheint sie ja nichts zu bauen, zumindest nicht im herkömmlichen Sinne, aber dann auf den zweiten Blick merkt man dann doch, dass sich da jemand Notizen macht, sich Gedanken macht, neue Gedanken baut.
Was wäre diese Biologin gewesen, wenn es keine Biologie für sie zum Studieren gegeben hätte? Diese Frage lässt sich beispielsweise nicht beantworten. Menschen sind nicht wiederholbare Ereignisse, genausowenig wie Geschichte wiederholbar ist. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Menschen nicht‑wiederholbare Ereignisse sind.
Wenn also jemand, wie beispielsweise Tracy Durnell in ihrem hervorragenden Artikel über Hypertext schreibt, sich dafür interessiert, etwas aus Hypertext zu bauen, dann macht es diesen Menschen zu etwas besonderem, eben weil dieses Interesse und dieser Mensch nicht‑wiederholbare Ereignisse darstellen.
Dabei sollte ich nicht so falsch verstanden werden, wie mich mal ein Jugendfreund missverstand, als er mir unterstellte, dass ich mich für etwas besonderes hielte, während alle anderen um mich herum nichts besonderes wären: ich halte Menschen generell für individuell besonders, aber eben auch voneinander verschieden. Dass besagter Jugendfreund dabei von einer Hierarchie ausging, mit den besonderen oben und den weniger besonderen unten, überrascht mich bis heute, in meiner Erinnerung.
Wenn ich also daran denke, wie oft ich davon lese, dass das Old Web zu verschwinden droht, wie Social Media‑Websites keine Links haben wollen, die ins Draussen führen, dann fällt mir–nach dem Schreck, den solche Artikel vermitteln–wieder ein, dass die Leute, die überhaupt dazu in der Lage sind Hypertext zu schreiben und dann auch noch Hypertext bauen wollen, sehr wenige sind.
Und fast keiner von uns schätzt die Vorlagen, mit denen man auf Social Media‑Websites bauen solle. Natürlich stirbt das Old Web. Die Leute, die es bauen, sind eben auch nicht‑wiederholbar. Ich gehe aber noch weiter: dass es mitsamt denen, die es bauen wollen, verschwinden kann, macht es erst wertvoll, zu etwas besonderem, zu etwas lebendigem—es ist sterblich.
Natürlich stirbt das Old Web. Die Leute, die das nächste Old Web dann bauen, weil sie damit aufgewachsen sind, darüber gelesen haben, danach gesucht haben, und deren Neugier dazu führte, dass sie sich damit vertraut machten und dieses Vertrauen ihrerseits vertieften, sind völlig andere Menschen, werden völlig andere Menschen gewesen sein werden, als die, die etwas zuerst, als zweites, als drittes usw. gemacht hatten. Eine Gesellschaft aus Leuchttürmen entsteht, immer wieder, immer wieder anders.
Und Social Media‑Websites sind halt nichts für Leute, die gerne ihre eigenen Webs bauen. Pros are not on Facebook.
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Hyperconnected: warum man mehr als nur Social Media Accounts braucht
Man muss auch wissen, was man mit ihnen macht. Knüpfe ich Kontakte oder warte ich darauf, dass ich von anderen „entdeckt“ werde? Und da gibt es noch diese Denkweise über Kunst und Design, dass es nur dann Kunst ist, wenn dahinter keine finanziellen Absichten stecken. Am Besten niemals. Und Design ist auch nur dann Design, wenn es als solches gar nicht erst in Erscheinung tritt.
Wahrscheinlich, entlang dieser Ideenwelt der Reinheit von etwas, ist die Verwendung von Medien auch nur dann überhaupt zu ertragen, wenn man keine Zwecke damit verfolgt.1 Dass diese Welt an dem Leben vorbeigeht, muss sicherlich nicht weiter analysiert werden: Zeit ist kostbar und wenn man sich einer Handlung gerade widmet, und sei es auch nur das Trinken von Kaffee, kann man nicht gleichzeitig noch etwas anderes mit dieser bereits investierten Zeit anrichten.2
Als Grafikdesigner verfolge ich finanzielle Absichten, weil meine Zeit bezahlt werden muss: wäre ich Bäcker, gäbe es keinen Unterschied. Meine Social Media‑Accounts dienen aber im Moment dazu, herauszufinden, wen ich erreichen möchte, wer meine Kunden sein sollen, mit welchen Kollegen ich gut kann und zusätzlich dienen die nunmehr insgesamt mehr als zwanzig dieser Accounts dem Informationsaustausch. Wo kann ich also etwas erklären, an welchen Diskussionen nehme ich teil, bleibe dabei aber in meinem Fachbereich. Wer aber, wie ich sagen würde, in den Bereich der Zerstreuung durch Social Media rutscht, hat aber auch ganz andere Bedürfnisse als ein Grafikdesigner, der beispielsweise durch den Hashtag virtualcoworking auf Threads seinen Arbeitsbeginn an Werktagen ankündigt.3
Ich verwende bei aller Hyperconnection aber nicht jede Plattform gleich: beispielsweise ist Bluesky überraschend leer, wenn es um Design, Grafikdesign und Kunst geht; Medium und Substack verwende ich auch eher zum Lesen und Speichern von für mich interessanten Artikeln, wie beispielsweise dieses Kleinods von Kyuha Shim namens Computation for Graphic Designers+(sic), das neugierig auf Koreanisches Design macht. Manche dieser Verbindungen verwende ich aktiv, manche passiv, weil es sich einfach so ergibt, mit Sicherheit aber auch durch das Erlebnis, das von Plattform zu Plattform immer etwas anders ist. Es ist also weder die Menge an Accounts, die wichtig ist, noch die empfundene Intensität oder Wichtigkeit (oder, wie selbstempfundene Influencer gerne sagen, ob etwas relevant ist) der Verwendung, sondern es bleibt einfach eine Frage dessen, was man selbst erreichen möchte und ob das Werkzeug, das man dazu verwendet, überhaupt passt.
Und, ob man selbst schlussendlich zu dem überhaupt passt, was man über sich selbst glaubt. Ich denke, dass da für nicht wenige der Knackpunkt liegt.
Wer aber darauf setzt, dass man ihn entdeckt, dass da schon ein anderer kommen wird und einen mitnimmt auf die eigene Reise, dann wartet man mit Millionen anderer.4 Den eigenen Erfolg kann man aber auch als Teil der eigenen Arbeit sehen und die Dinge tun, die diesen Erfolg nicht sabotieren. Man braucht also nicht nur die Verbindungen, man braucht nicht nur die eine Sache, die den Erfolg schon bringen wird, man muss das, was man tut, auch verstehen. Wenn man sich schon die Arbeit macht, dann sollte die Arbeit auch durch einen ihr entsprechenden Verdienst und etwas mehr aufgewogen werden. Und sich die Arbeit mal zu machen, darüber nachzudenken, warum man seine Arbeit nicht vermarktet, ist durchaus sein Geld wert. Und ich denke, es fängt damit an, dass man anfängt sich darüber Gedanken zu machen, wen man überhaupt erreichen will.
- Vielleicht sind Medien etwas, das in dieser Ideenwelt nur als Streicheleinheit funktionieren darf, ähnlich wie bei Schwarzfischer in Blicke, Likes und Klicks: Zur verhaltensbiologischen Basis von Social Media. ↩︎
- Siehe Talebs Beobachtungen dazu, wie wir uns vorstellen, dass die Welt funktioniert, vor allem in Der schwarze Schwan : die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse und Antifragilität. ↩︎
- Aktuelle Posts beispielsweise auf Threads.net hier https://www.threads.net/search?q=virtualcoworking&serp_type=tags&tag_id=18337655179121416&filter=recent ↩︎
- Der andere, der da kommt, nimmt einen schon mit, aber auf seine eigene Reise. ↩︎